Interview mit dem Parasitologen Prof. Dr. Heinz Hänel

Der Parasitologe Prof. Dr. Heinz Hänel trug maßgeblich dazu bei, dass Fexinidazol „wiederentdeckt“ und die Entwicklung des Medikamentes bei der Firma Sanofi-Aventis wiederaufgenommen wurde.
Prof. Dr. Heinz Hänel

Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) würdigte mit dem Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Entwicklungszusammenarbeit 2020 ein Projekt, das sich der Bekämpfung der Afrikanischen Schlafkrankheit (Human African Trypanosomiasis – kurz HAT) widmet. Preisträger ist Dr. Florent Mbo mit dem Projekt „Schlafkrankheit in Afrika: Fexinidazol ist jetzt da! Projekt zur Förderung eines einfachen Zugangs zum neuen oralen Medikament gegen die Schlafkrankheit“ der gemeinnützigen Forschungsorganisation DNDi (Drugs for Neglected Diseases initiative).

Der Parasitologe Prof. Dr. Heinz Hänel trug maßgeblich dazu bei, dass Fexinidazol „wiederentdeckt“ und die Entwicklung des Medikamentes bei der Firma Sanofi-Aventis wiederaufgenommen wurde. Im März dieses Jahres erhielt der Parasitologe für diese Medikamentenentwicklung das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Fexinidazol wird heute von Sanofi-Aventis hergestellt und kostenlos in der benötigten Menge zur Verfügung gestellt.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hänel, können Sie uns beschreiben, wie es zu einer Wiederaufnahme der Entdeckung von Fexinidazol kam?

In einer Überprüfung zur Substanzklasse der Nitroimidazole, mit denen ich schon 1979 als Werkstudent bei der Hoechst AG gearbeitet hatte, stellte sich auch die gute orale Verfügbarkeit und Wirksamkeit von Fexinidazol dar. Mitarbeiter des DNDi wurden auf meine Veröffentlichung aufmerksam und kontaktierten mich. Daraufhin habe ich im Archiv die alten Unterlagen zu Fexinidazol gesucht und gefunden. Mit Hilfe von externen Geldgebern haben wir dann eine komplette Neuentwicklung gestartet und die klinischen Studien in den betroffenen Ländern bis zum Jahre 2017 durchgeführt. Nach einer positiven Beurteilung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) 2018 erfolgte sehr schnell die Zulassung in der Demokratischen Republik Kongo.

Welche Behandlungsvorteile bringt Fexinidazol für die von der Schlafkrankheit betroffenen Patientinnen und Patienten im Vergleich zu früheren Behandlungen?

Fexinidazol wird oral verabreicht und die Behandlung ist nach 10 Tagen abgeschlossen. Die Kosten der Tablette sind für uns vernachlässigbar gegenüber der bisherigen intravenösen Therapie.
Bisher wurde eine Kombination vom i.v. Präparat Eflornithine (Sanofi) und dem oralen Nifurtimox (Bayer) eingesetzt. Die Patientinnen und Patienten mussten 2 Wochen in der Klinik bleiben und konnten in dieser Zeit ihre Familien nicht versorgen (Feldarbeit). Die Kosten pro Patient beliefen sich auf mehrere hundert Euro gegenüber wenigen Euro heute mit Fexinidazol. Dazu mussten die bisherigen Präparate die Kühlkette einhalten (2°- 8°C), was in Zentralafrika sehr schwierig zu bewerkstelligen ist.
Die Tablette hat sehr geringe Nebenwirkungen wogegen bei dem früheren Präparat Melarsoprol 5 von 100 Patienten an dem Präparat selbst verstorben sind – ein unakzeptabler Zustand.

Wie schaffen Sie es, dass möglichst viele Patientinnen und Patienten Zugang zu Fexinidazol erhalten?

Wir verschenken das Präparat. Die Verteilung wird über die WHO organisiert. Ärzte-Teams verteilen das Produkt in den betroffenen Kliniken. Die Ausrottung der Afrikanischen Schlafkrankheit ist ein zentrales Ziel meiner Firma Sanofi. Wir arbeiten seit 2001 mit der WHO zusammen und haben schon damals alle i.v. Präparate kostenlos zur Verfügung gestellt. 2001 haben wir noch 27.000 Patientinnen und Patienten im Jahr behandelt und heute ist dieser Wert auf weit unter 1.000 zurückgegangen. Wir können mit Hilfe von Fexinidazol das Ziel ins Auge fassen, diese Krankheit auszurotten.
Noch vor wenigen Jahren hat die WHO diese Krankheit zu den 10 wichtigsten und bedrohlichsten Tropenkrankheiten gezählt. Diesen Schrecken konnten wir mit unserem Medikament der Krankheit nehmen.

Vielen Dank für das Interview!