Interview mit Akiko Iwasaki – Preisträgerin des Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung 2023

Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) zeichnet mit dem 2,5 Millionen Euro dotierten Preis Akiko Iwasakis bahnbrechende Beiträge zum Thema „Krankheiten von weltweiter Bedeutung“ aus und würdigt ihre Forschungsarbeiten zur Immunantwort bei viralen Infektionen.
Image Akiko Iwasaki

Liebe Frau Iwasaki, herzlichen Glückwunsch zum Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung 2023. Ein Teil Ihrer Arbeit konzentriert sich auf postakute Infektionssyndrome (PAIS). Dazu gehören unter anderem Long COVID sowie Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Welche Forschungsergebnisse konnten Sie auf den Gebieten erzielen?

Ich arbeite mit talentierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen, um die zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen von Long COVID besser zu verstehen. Wir führen detaillierte Immunphänotypisierungen von Menschen mit Long COVID durch und vergleichen sie mit COVID-Genesenen sowie mit gesunden Personen, die nie an COVID erkrankt sind. Nachdem wir uns Tausende von verschiedenen Faktoren angeschaut haben, stellen wir interessante Unterschiede in den so genannten Immunsignaturen fest. Menschen mit Long COVID haben zum Beispiel niedrigere Cortisolspiegel, veränderte Reaktionen bei T- und B-Zellen, oder weisen eine Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus (EBV) auf. Wir möchten diese Erkenntnisse auf ME/CFS ausdehnen und verstehen, was für Immunphänotypen ME/CFS Erkrankte haben. Das kann dabei helfen zu ergründen, wie solche Immunphänotypen zustande kommen, und wir können die zugrundeliegende Krankheitsentstehung besser verstehen. Letzten Endes wollen wir Therapien entwickeln, die Menschen mit Long COVID, ME/CFS und anderen postakuten Infektionssyndromen helfen.

Der Preis ist mit 2,5 Millionen Euro dotiert. Für was werden Sie das Preisgeld nutzen?

Wir möchten die Entstehung von postakuten Infektionssyndromen besser verstehen. Wir ziehen verschiedene Hypothesen in Betracht, darunter persistente Erreger, Autoimmunität, Reaktivierung von Herpesviren und entzündliche Veränderungen der Gewebefunktionen. Auch wenn man die Atemwege von dem Virus befreit, kann es irgendwo im Körper ein Reservoir an Viren geben, die sich weiterhin replizieren und chronische Entzündungen hervorrufen. Wir haben eine klinische Studie begonnen, um zu sehen, ob eine antivirale Behandlung helfen kann, Long COVID–Symptome abzuschwächen. Die zweite Hypothese ist Autoimmunität. Es ist möglich, dass es zwischen Long COVID und der Autoimmunität, die durch Virusinfektionen ausgelöst werden kann, Verbindungen gibt. Die dritte Hypothese ist die Reaktivierung von latenten Viren. Wir sehen Indizien einer EBV-Reaktivierung bei Menschen mit Long COVID. Ein weiterer Befund ist letztendlich, dass sogar eine milde, auf die Lunge beschränkte COVID-Erkrankung eine langfristige Entzündung im Hirn zur Folge haben kann. Indem Long COVID und ME/CFS zusammen untersucht werden, hoffen wir, sowohl gemeinsame als auch sich unterscheidende Mechanismen der Krankheiten zu verstehen.

Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung fördert Forschungsprojekte, auch von Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern. Was würden Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs mit auf den Weg geben?

Es war mir schon immer ein leidenschaftliches Anliegen, Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler zu fördern. Wenn wir als Gesellschaft für eine nachhaltigere und gesündere Zukunft sorgen wollen, dann müssen wir in die Grundlagenwissenschaft investieren. Und zu diesem Zweck müssen wir in die Menschen investieren, die auch in Zukunft für uns forschen. Mein Rat an den wissenschaftlichen Nachwuchs ist, das Fachgebiet zu finden, das sie wirklich reizt, und sich ganz dem Ziel zu verschreiben, dieses Gebiet voranzubringen. Das gilt für jede Karriere, aber besonders in der Wissenschaft muss man alles geben, um das Rätsel Stück für Stück zu lösen. Um erfolgreich zu sein, muss man es gerne tun und Spaß daran haben.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit am liebsten?  

Die Zeit, die ich nicht mit Wissenschaft verbringe, ist mir sehr kostbar. Am liebsten verbringe ich sie mit meiner Familie, egal ob zusammen auf einem Ausflug oder bei einem gemeinsamen Essen zuhause. Ich liebe es, Zeit mit meinen beiden Teenager-Töchtern zu verbringen und von ihnen zu hören, wie sie die Welt mit ihren Augen sehen. Ich liebe es, Zeit mit meinem Ehemann zu verbringen. Wir genießen es, nicht nur über Wissenschaft zu sprechen, sondern auch über alles andere, von der Politik bis hin zur Psychologie. Wann immer sich die Möglichkeit ergibt, besuche ich meine Eltern, meine Schwester und ihre Familie in Japan. Auch wenn ich als Jugendliche Japan verlassen habe, macht das Land immer noch einen Großteil meiner Persönlichkeit aus. Und ich habe das Glück, noch eine Schwester in den USA zu haben, die ich mindestens einmal im Jahr treffe. Ansonsten habe ich Spaß daran, Romane zu lesen, mir Filme anzuschauen und Yoga zu machen.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit!